„Das” ostbelgische Deutsch – Zwischen Standard und regionaler Varietät

Verena Rasp | Ludwig-Maximilians-Universität München
Gabriel Rivera Cosme | Université du Luxembourg

In Belgien, einem territorial mehrsprachigen Staat, ist Deutsch die Erstsprache (L1) von einer Minderheit (ca. 0,6% der Gesamteinwohnerzahl) im offiziell deutschsprachigen Gebiet im Osten des Landes. Nicht zuletzt durch die in den letzten Jahren ständig wachsende Autonomie dieses Gebietes (= Ostbelgien) spielen sowohl das Deutsche als Sprache als auch die belgische Nationalität für die meisten Einwohner Ostbelgiens eine wichtige, identitätsstiftende Rolle. Zu dieser kulturellen und politischen Entwicklung hat die Anerkennung von drei Sprachgemeinschaften in Belgien beigetragen, die in eine mehrsprachige Bildungspolitik in Ostbelgien gemündet ist. Diese verfolgt einerseits das Ziel, Deutsch als L1 zu bestärken, andererseits parallel dazu aber auch Französisch als erste Fremdsprache in höchstem Maße zu fördern.

Nach der mittlerweile etwa 100 Jahre alten politischen Trennung des Gebietes von Deutschland, lässt sich nun durchaus die Frage stellen, inwieweit sich ein besonderes ostbelgisches Deutsch entwickelt hat und welche Einstellungen die Bevölkerung gegenüber jenem hat. Der Ausgangspunkt dieser Frage ist das Zusammenspiel zwischen Sprache und Identität, welche im Falle Ostbelgiens in eine Art Migrationsnetzwerk, bestehend aus den angrenzenden Gebieten Belgiens, Deutschland und Luxemburg, eingebunden sind und von diesem bestimmt werden.

Das Ziel dieses Vortrags ist, eine Analyse über jenes Zusammenspiel von Sprache und Identität durchzuführen und der Frage nachzugehen, ob und wie sich ein spezifisches ostbelgisches (Standard-)Deutsch definieren lässt, durch welche sprachlichen Kontakteinflüsse es geprägt ist und wie es von unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet wird.

Literatur

Boemer, Magali & Darquennes, Jeroen (2012): Towards a historical sociolinguistic account of language-in-education policy in the German-speaking community of Belgium. In: Dutch Journal of Applied Linguistics 1, 2, 219-235.

Bouillon, Heinz (2019): Deutsch in Ostbelgien. In: Beyer, Rahel/Plewnia, Albrecht (Hgg.), Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa. Sprachminderheiten und Mehrsprachigkeitskonstellationen. Tübingen: Narr, 47-70.

Küpper, Achim; Leuschner, Torsten & Rothstein, Björn (2017): Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens als emergentes Halbzentrum: Sprach- und bildungspolitischer Kontext – (Sub-)Standard – Sprachlandschaft. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, 136 (Sonderheft), 169-192.

Möller, Robert (2017): Deutsch in Ostbelgien – Ostbelgisches Deutsch? In: Davies, Winifred V./Häcki Buhofer, Annelies/Schmidlin, Regula/Wagner, Melanie M./Wyss, Eva Lia (Hgg.), Standardsprache zwischen Norm und Praxis. Theoretische Betrachtungen, empirische Studien und sprachdidaktische Ausblicke. Tübingen: Narr Francke Attempto, 89-120.